Mit dem Natur – und Waldkindergarten ist allen gedient

 

Bindungstheorie zu Mutter Erde – Nature Bonding

 

Meine Stellvertretung und Freundin gab mir ein Feedback zu mir und meiner Inspirationswurzel: Sie meinte, ich hätte bei Allem die Freiheit im Sinn.
„Freiheit“ … ein Wort mit dem ich lange auf Kriegsfuß stand. So ähnlich wie „Glück“.
Mir geht es doch nicht darum frei (glücklich) zu sein, im Sinne von Janis Joplins „Freedom is another word for nothing left to loose…“ So eine Freiheit ist doch traurig – wenn man nichts mehr zu verlieren hat. Mir geht es doch viel mehr um Wirksamkeit.

Im Urlaub las ich von David Foster Wallace die Rede: „Hier ist kein Wasser“
Da schrieb er:
„Die wirklich wichtige Freiheit erfordert Aufmerksamkeit und Offenheit und Disziplin und Mühe und Empathie, andere Menschen wirklich ernst zu nehmen und Opfer für sie zu bringen, wieder und wieder, auf unendlich verschiedene Weisen, völlig unsexy, Tag für Tag.
Das ist wahre Freiheit.“ 
Freiheit bedeutet also auch, dem Anderen zu dienen – eine Definition, mit der ich mich gut anfreunden kann.

Tun das nicht alle Erzieherinnen oder Kindergartenleiterinnen – den Anderen dienen??
Wer setzt da den Maßstab, dass die Waldkindergartenbewegung mehr Dienen ist als andere Pädagogik?

Vielmehr ist sie ja offiziell die niedrigste aller Pädagogikrichtungen, denn die Bundesländer geben ihr nicht den Status des Rechtsanspruchs. Eltern können ihre Stadt verklagen, weil sie keinen Kindergartenplatz bekommen, selbst, wenn die Stadt einen Waldkindergartenplatz anbietet.

Ein Waldkindergartenplatz ist ja nicht „für jeden zumutbar“, so die Aussage.

  • ein kirchlicher Kindergartenplatz – ja
    (by the way, ich bin gläubige Christin und engagiert in der evangelischen Gemeinde)
  • ein Montessori-Kindergartenplatz – ja
  • ein Waldorfkindergartenplatz – ja

Aber ein Waldkindergartenplatz?
Um Gottes Willen, der ist doch nicht für jeden zumutbar:

  • Die Wäsche, die man mehr waschen muss. (Wir empfehlen, die Wäsche nicht täglich zu waschen. Einfach die Matschhose draußen stehen lassen, eintrocknen lassen, abbürsten.)
  • Die Zeckengefahr. (Die Fahrt mit dem Auto zum Kindergarten ist in jedem Fall gefährlicher. Es gibt der WHO nach bislang keinen schwerwiegenden FSME-Verlauf bei Kindern.)
  • Die Kinder werden draußen doch krank. (Genau das Gegenteil ist der Fall: Die Kinder sind robuster.)
  • Die Kinder lernen doch gar nichts. (Tübinger Uniforschung: … Waldkids sind schlauer.)
  • Die Widrigkeiten (Regen, Kälte, Stechmücken, Matsch)
  • Waldkinder leben doch wie im Survival – Modus (Doch wie soll das Kind resilient also krisenfest werden, wenn es nie (annehmbaren) Krisen ausgesetzt ist und geübt hat, Krisen zu überwinden? – Etwa in der wohltemperierten Komfort-Zone?

Wem dienen wir Natur -und Waldpädagogen?

  • Wir dienen den Kindern, in dem wir ihnen Freiräume lassen für Freies Spiel, natürliche Forschung, Improvisation, Risikomündigkeit, Resilienz
  • Wir dienen den Eltern, in dem wir ihnen subversiv vermitteln, wie wesentlich all dies ist und dass sie dies zu Hause mittragen können, indem sie die Glotze auslassen und das Zimmer nicht mit Plastikspielzeug vollstellen, sondern indem sie biologisch essen, konsumkritisch werden und gemeinsam Zeit draußen oder drinnen mit ihren Kindern verbringen mit Vorlesen, Familienspielen, Freude haben, Singen, zusammen Kochen, Kräuterkunde, Haustier Baden, draußen ( wenn es passt und erlaubt ist am Grillplatz) ein Feuer machen, Stockbrot backen und Vorlesen…
    Es braucht nicht stets ein neues Event. Bindung entsteht auch durch verlässliche sich wiederholende Rituale.

UND

  • Wir dienen der Natur – wir hören ihr zu – wir nehmen sie ernst – wir bringen ihr Opfer (z.B. durch Konsumverzicht), wir schützen sie, wir helfen ihr (z.B. durch Bäume pflanzen)

Die Natur und der Umweltschutz, das sind die wichtigste Aufgaben in unserer Zeit!
Wer das nicht erkennt, der kann ja Andere als mich fragen – die Antwort ist offensichtlich.

Es gibt keine Kindergartenrichtung, die – durch emotionale Bindung, Heimat, Wissen, Glücksgefühl und Vertrautheit – die Natur derart schützt wie der Natur- und Waldkindergarten.
Was man kennt, das schützt man. Was man liebt, das pflegt man, dem dient man.

Nicht genug Betreuungszeit?
Es sollte für einen Halbtagsjob von 8:15.-14:15 Uhr reichen, wenn der Waldkindergarten um 7:45 öffnet und um 15:00 Uhr schließt.
Und wenn das nicht ginge, dann gäbe es ja noch die Alternative, dass der ganze Kindergarten vormittags bis um 13.00 Uhr rausgeht – jeden Tag – und erst zum Mittagessen wiederkommt, so wie ich es in meinem Hauskindergarten praktiziere.
Keinen halbherzigen Waldtag, für den man sich eine Woche vorher anmelden kann und wenn es regnet, fällt der Waldtag aus….

Wer die Bindungstheorien kennt – und alle Erzieherinnen kennen sie – weiß, dass die sichere Bindung zur Mutter (jaja… – und zum Vater) wesentlich ist für die Entwicklung des Kindes. Was nicht dabei steht ist, dass Bindung Zeit braucht.

Keine Quality time von 60 Minuten (und wo sollen selbst die denn herkommen, wenn ich das Kind um 17.30 aus dem Kindergarten abhole, den Haushalt mache und dann nach dem Abendessen Schlafenszeit für das Kind ist?).
Stattdessen Zeit, nachmittags bis abends
… stundenlang auf dem Spielplatz zu sitzen (ohne ins Handy zu starren)
… auf der Schwimmbaddecke zu liegen und dem Kind zuzuschauen oder ihm Schwimmen beizubringen,
… Bücher vorzulesen
… und alles viel langsamer zu tun, – entschleunigt – was sich sonst im Handumdrehen erledigen lässt (kochen, Wäsche waschen, einkaufen, aufräumen….).

Ja- genau- jetzt werden die Alleinerziehenden vorgeschoben, die mit 7,5 Stunden Betreuungszeit nicht auskommen. – Nur merkwürdig, dass doch gut ein Drittel unserer Waldeltern alleinerziehend sind.- Wie ist das möglich?

Und Bindung zur Mutter Erde…?
Darf diese Bindung auch eine sichere und nachhaltige Bindung werden? Oder doch lieber vermeidend, unsicher, ambivalent mit schneller „Quality time“?
Soll diese Bindung durch Indoor-Leben und Tiefkühlkost entstehen?

Feldforschung (nicht validiert):

Ich schreibe dies aus dem Urlaub am See, bei dem ich erleben darf, wie vermeintlich wohlhabende Eltern mit ihren Kindern mit großem Getöse aus kleinen Boxen, (Techno – der Familienvater meinte auf meine Bitte hin, es vielleicht auszumachen oder wenigstens leiser zu stellen : Nein!) jeder Menge Plastikequipment zum Aufblasen, mit allem eingeschmiert ins Wasser gehen, dann maximal 1/2 Stunde mit den Kindern spielen, um sich anschließend auf das Handy oder auf die eigene Körperbräunung zu konzentrieren. (Beinah wäre ein Kind, dass mit der Luftmatratze weit abtrieb, auf nimmer Wiedersehen abgesoffen. Ein älterer Herr mahnte die Eltern zur Aufmerksamkeit.) Dann wurden alle mit Junk Food (Kaufhausmuffins und Chips) abgefüttert und anschließend, nachdem ein Berg Müll hinterlassen wurde (ungetrennt im Mülleimer vor Ort gelandet) mussten alle wieder nach Hause fahren.

Die eintretende Ruhe ist nicht zu beschreiben. 

Und der beiläufigen Entschuldigungserklärung, dass ein Waldkindergarten doch nicht für jedes Kind etwas sei
(eigentlich nur für die Jungs, bei denen die schnelllebigen überforderten Eltern ratlos danebenstehen, während das kleine Kind nach – bestenfalls nur – einer Stunde digitalem Konsum am Tag – am Wochenende zwei Stunden – und Konsum von zu viel Süßigkeiten nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht)
kann ich nur mit einem Widerspruch begegnen:

Der Waldkindergarten ist für jedes Kind sinnvoll ! 

Das Dienen ist in einem höheren Maße zeitgemäß reflektiert – es geht ums Ganze, um das Kind, um die Familie und um die Natur – ums nackte Überleben aller.
Sicher braucht es auch hier Transformationen.

In meinen Waldkindergärten wird immer mehr ein Stückchen Garten dazu gehören. Das Gärtnern ist neben dem Waldbesuch wesentlich für die Entwicklung und ist eine gute sinnhafte Arbeit außerhalb des Waldes, denn es gibt im Zuge des Klimawandels nicht immer waldtaugliche Tage (beispielsweise nach einem Sturm). Die Gesellschaft muss naturbewusst und naturverbunden werden – jetzt! – und die Gesellschaft hat den Bildungsauftrag, die Kinder auf die Zukunft vorzubereiten.

Welche Zukunft soll das sein, wenn wir nicht from the very beginning anfangen, eine sichere Verbundenheit und Bindung zu Menschen und der Natur in Freiheit möglich zu machen?

Welche Zukunft?

Herzlichst

Asha Scherbach

 

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